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von Jörg

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ALLES TUT WEH, ALLES

Die Fußsohlen schmerzen. Die Waden und Oberschenkel brennen. Der untere Rücken schreit. Der Nacken ist knallhart, die rechte Schulter und der Oberarm tun weh.
Und während ich so im Klappstuhl vor dem Wohnmobil sitze, die Beine hochgelegt, stelle ich mir die Frage: Warum tust du dir das an?

Die Antwort ist aber ganz einfach. Auch wenn ich nicht mehr auf der Jagd nach Platzierungen und Bestzeiten bin, wurde ich dennoch vor fast zwei Jahrzehnten vom Ausdauer-Virus infiziert. Es reizt mich nach wie vor, meine eigene Grenze immer mal wieder auszutesten und den Kampf von Geist gegen Körper aufzunehmen.
Natürlich verschieben sich im Alter die Grenzen, aber man kann ja versuchen, diesen Prozess so lange wie möglich gering zu halten.

VORBEREITUNG

Wie schon in 2022 haben wir unseren Schwedenurlaub so geplant, dass die Teilnahme an der Vätternrundan mit in den Zeitrahmen passt. Pünktlich zum Meldestart habe ich mich angemeldet und mich dieses Mal getraut, eine Startzeit am Freitagabend zu wählen - das bedeutet, man fährt durch die Nacht.
Am Donnerstag kamen wir in Motala an und ich habe meine Startunterlagen abgeholt. Ein paar Merchandising Artikel als Erinnerung mussten auch noch eingetütet werden.
Dann hieß es Ausruhen und Nudeln essen. Die Nacht habe ich erstaunlich gut geschlafen und konnte Freitagvormittag mein Rad fertig machen, nochmal entscheiden was alles mitgenommen wird. Es waren Temperaturen von 12-18 Grad angekündigt, Regen war nicht in Sicht.
Inzwischen war ich total verunsichert, ob es eine gute Idee war, die Nacht durchzufahren. Ich hatte die Befürchtung, vor Müdigkeit vom Rad zu fallen. Aber andererseits wollte ich mir dieses besondere Erlebnis nicht entgehen lassen.

Nach einem kleinen Mittagsschlaf nun also Anhosen:  Ich plante nochmal um, da es inzwischen schön warm war und ich nicht in das bereit gelegte Langarmshirt mit Thermoweste steigen wollte.

VR315 25 StartkanalDIE VÄTTERNRUNDAN

Meine Startzeit 20:40 Uhr wurde im rechten Startkanal aufgerufen. Seit 19:30 Uhr starteten alle 2 Minuten immer ca 50-60 Radfahrer.
Es ging los und wir fuhren nach Süden in Richtung Jönköping. Nach Sonnenuntergang wurde es doch schnell kühler und an der ersten Verpflegung in Ödeshög habe ich mich dicker angezogen. Überschuhe, Knielinge, Langarmjacke sollten mich, bei inzwischen 12 Grad, die weiteren Stunden warm halten.
Inzwischen wurde es immer dunkler, aber halt nicht so richtig dunkel. Es rollte gut, ich habe immer mal wieder eine gute Gruppe gefunden, an die ich mich für eine Zeit dranhängen konnte. Es ging leicht wellig voran und der Blick nach vorn, mit der riesigen Schlange an Rücklichtern war beeindruckend. Aber auch den Blick zurück habe ich mir nicht nehmen lassen, sogar um 0:30h war noch Abendrot am fernen Himmel zu sehen.
Um 1 Uhr nachts fuhr ich in den Verpflegungspunkt Jönköping ein. Hier gab es Köttbullar mit Kartoffelbrei und Salzgurke. Dazu einen eigens für das Jubiläum kreierten “Cykelkaffe”.
Schnell machte ich mich wieder auf den Weg, nur nicht zu viel Zeit an den Stationen liegen lassen.

VR315 25 NachtAb 1:30 Uhr fiel die Temperatur nochmal deutlich - nur noch 5 Grad und das sollte sich die nächsten 100 km auch nicht ändern. Irgendwann habe ich noch meine Regenjacke übergezogen,  wie froh war ich über meine Entscheidung frühzeitig die Überschuhe angezogen zu haben. In Kombination mit den Merinosocken hatte ich (fast durchgängig) warme Füße.

VR315 25 TagDie Nachtfahrt war herrlich. Es hat mir mega viel Spass gemacht. Ich war überhaupt nicht müde und so richtig dunkel wurde es auch gar nicht. Ab ca. 2:30 h konnte man am Himmel auch schon wieder einen leichten rötlichen Guten Morgen Schimmer erkennen.
Man hat immer mal wieder bekannte Gesichter/Trikots/Fahrräder gesehen. Manche haben mich bestimmt 8x überholt. Immer am Berg wurde ich überholt, bergab habe ich sie alle wieder eingeholt. Wie früher vom Trainer eingetrichtert bekommen, bergab immer mitkurbeln, mit der gleichen Belastung wie auf der Ebene!

VR315 25 Tag2Die nächste große Verpflegung war in Hjo. Dort gab es Lasagne mit Karotten Streusel on Top und als Überraschung Salzgurke ganz unten. Um 4:25 h war das mein Frühstück - 4:40 h weiter, wie gesagt, nicht unnötig lange anhalten.

Inzwischen fuhren wir nach Nordosten mit Blick in die aufgehende Sonne. Ich hatte die Hoffnung, dass es jetzt wärmer wird und ich meine Zwiebelschichten reduzieren kann, aber es dauerte fast noch 2 h, bis die Sonne die nötige Kraft entwickelt hatte.

Kurz vor Schluss, ab km 260 kommen noch mal ein paar richtig fiese Anstiege. Sehr steil und wenn man denkt, man hat es geschafft, kommt nochmal ein sehr langer Anstieg. Das ganze zieht sich über 20 km und saugt den letzten Saft aus den Muskeln.
Wenn es mir nicht zu peinlich gewesen wäre, hätte ich am Liebsten geschoben.

Nach der letzten Verpflegung in Godegard hatte ich das Glück, eine ganz gute Gruppe von 5 Fahrern zu erwischen, die ziemlich genau mein Tempo fuhren, am Berg nur leicht davon zogen, ich aber immer wieder problemlos aufschließen konnte.
Somit waren die letzten 31 km nochmal etwas entspannter (mein Rücken war anderer Meinung).
Nach 315 km und 14:44 h durfte ich völlig zufrieden, aber auch sehr kaputt, durchs Ziel fahren.
VR315 25 Zieleinlauf

DAS WETTER

Ja, 5 Stunden bei unter 10 Grad zu fahren ist schon kalt. Aber hey, es war fast kein Wind und es hat nicht geregnet, also alles gut.

DIE ORGANISATION UND ATMOSPHÄRE

Die Strecke war super ausgeschildert und an allen kritischen Punkten standen Helfer in Warnwesten mit Fahnen und haben uns den Weg angezeigt und die Autos angehalten - wir hatten immer Vorfahrt. Löcher im Asphalt waren mit Farbe markiert, ein Teilstück ging über eine Schnellstrasse. Da war sogar die rechte Spur für uns gesperrt.
In den Depots gab es immer ausreichend Verpflegung, keine großen Wartezeiten und immer auch eine Station für Radservice und Massage.
Die Stimmung am Wegesrand war phänomenal.  Überall wurden wir angefeuert, die Menschen betrachten das hier als eine Art Volksfest.

DIE FAKTEN

Am Start, bei der 60. Vätternrundan waren 14.979 Radfahrer, 14.434 kamen ins Ziel. 

Meine Fahrzeit Brutto 14:44 h (Netto 13:22 h) für die 315 km.
Somit war ich ca. 45 Minuten schneller als letztes Mal (diesmal ohne Plattfuß).

DAS FAZIT

Ich hatte gehofft, unter 15 Stunden zu bleiben, mindestens aber um 12 Uhr Mittags anzukommen => Ziel erreicht!
Ich war gespannt auf meine erste Nachtfahrt, allerdings auch etwas verunsichert => die beste Entscheidung überhaupt! Die Nachtfahrt war ein Hammer und hat mega viel Spass gemacht.

Und wieder einmal sage ich: das mache ich nie wieder => abwarten ,-)